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Der Gesandte des großen Geistes

Von Anna Diouf

Wenn es um den universalen Wahrheitsanspruch des katholischen Glaubens geht, wird oftmals von den Gegnern dieses Anspruchs geltend gemacht, dass sich Katholiken in der Vergangenheit ebenso oder gar grausamer verhalten hätten, als Angehörige anderer Religionen und Weltanschauungen.

Diese Annahme ist eine Halbwahrheit, und somit ist ihr mitunter schwieriger beizukommen als einer klar erkennbaren Lüge. Richtig ist, dass Menschen, die katholisch getauft sind, ebenso zu Grausamkeit und menschenverachtenden Taten fähig sind, wie alle anderen auch, und dass sie einen freien Willen besitzen, mit dem sie sich für das Böse entscheiden können. Was jedoch nicht bedacht wird, ist, dass sich ein Katholik mit der Entscheidung für das Böse zugleich gegen den Gott wendet, an den er glaubt oder glauben sollte. D.h. unabhängig von der konkreten Entscheidung des Menschen existiert das (oder besser "der") absolut Gute. Die böse Tat eines Katholiken macht also die Wahrheit und Liebe, die die Lehre verkündet, damit nicht unwahr oder ungültig. Im Gegenteil ist sie vielmehr der Erweis der Richtigkeit der katholischen Lehre, die eben den freien Willen lehrt und damit, dass das Erkennen und das Tun des Guten zwei unterschiedliche Dinge sind, die allerdings beide notwendig sind. Will man nun also die katholische Kirche bewerten, muss man trennen zwischen dem, was sie fordert und verkündet, und dem, was die Getauften tun. Es ist z.B. völlig unsinnig, gleichzeitig zu erkennen, dass die Kirche lehrt, man solle den Feind lieben, und dann zu behaupten, sie lehre es nicht, nur, weil ein Katholik (oder tausend oder Millionen Katholiken) dieser Anweisung zuwiderhandeln. Die richtige Schlussfolgerung wäre, dass sich die Katholiken ihrem Glauben gemäß verhalten müssen, nicht, dass der Glaube defizitär sei.

Diese kleine grundsätzliche Überlegung ist notwendig, um die unfaire und einseitige Beurteilung des Wirkens der katholischen Kirche in der Vergangenheit zu durchschauen.

Weithin bekannt sind die historisch falschen, aber "populärwissenschaftlich" als historische "Wahrheit" aufgefassten Anschuldigungen bezüglich der Entdeckung und Besiedelung der "Neuen Welt". Die Kirche als Handlanger der imperialistischen Europäer bzw. der "Weißen", und selbst eine Macht, die rücksichtslos Kulturen zerstört und ihre eigene Kultur den Menschen anderer Kontinente aufzwingt – ein völlig pervertiertes und verzerrtes Bild des Versuchs, Seelen für Christus und die Offenbarung Gottes zu gewinnen! Völlig ignoriert wird dabei, dass die Missionare selbst unter großen Opfern und keineswegs als Usurpatoren in ferne Länder gereist sind, dass sie das Leben der Menschen geteilt und voller Eifer die Liebe Gottes und das Evangelium verkündet haben, und nicht etwa eine als überlegen betrachtete europäisch-katholische Kultur. Die hier bestehenden Irrtümer halten sich hartnäckig, weil das Faktenwissen bezüglich dieser Entwicklungen extrem gering ist, und einfache Behauptungen, die sich bei näherer Betrachtung schnell als unhaltbar erweisen, gar nicht hinterfragt werden. So blätterte ich, just als ich begann, diesen Text über die katholische Missionstätigkeit in der "Neuen Welt" zu schreiben, in einem Modekatalog, der, ganz profan, peruanische Produkte anbot, mit einem verkaufsfördernden Hinweis darauf, dass die Konquistadoren, als sie "Kreuz, Feuer und Schwert" in die Neue Welt brachten, das Wissen der Einheimischen verachtet und geringgeschätzt hätten – wogegen man eben heute das alte Wissen wiederentdecken würde. Nichts gegen eine Zuspitzung, die werbetechnisch Vorteile bringt, aber solch eine Aussage ist symptomatisch. Genaugenommen stimmt hier nämlich nichts: "Feuer und Schwert", eine Umschreibung für gewaltsamen Konflikt, gibt es von alters her da, wo Menschen sind – auch ohne Entdecker und Siedler. Das Kreuz haben in erster Linie Missionare gebracht, und genau die haben nun eben gerade nicht versucht, irgendwen zwangszubekehren oder Gewalt auszuüben, sondern haben zum Teil eindringlich und verzweifelt danach getrachtet, bei den Regierenden in Europa bzw. später auch bei den unabhängigen Regierungen der einstigen Kolonien Garantien und Schutz für die einheimische Bevölkerung zu erlangen. Wenn allerdings ein solcher Satz in einem völlig unwissenschaftlichen Kontext als eine Art Gemeinplatz stehen kann, dann zeigt das, wie schlecht es um die Allgemeinbildung in diesem Bereich steht.

Wer sich über die Historie vorurteilsfrei informieren möchte, hat es in unserer "Informationsgesellschaft" nicht besonders leicht – selbst wenn die Wissenschaft tendenziöse Fehlinformationen nicht weitertradiert, der Weg in die Populärwissenschaft, in Geschichtsdokumentationen und das allgemeine Bewusstsein ist weit. Die Unterhaltungsliteratur bedient mit Wonne althergebrachte Feindbilder. Oft ist auch die Gemengelage aus falschen Anschuldigungen und unhinterfragten Stereotypen derart komplex, dass man sie gar nicht entwirren kann.

Dass es durchaus andere Literatur gibt, beweist das - wie so viele gute Bücher nur antiquarisch erhältliche - (Jugend)Buch Franz Xaver Weisers, Der Gesandte des großen Geistes. Es handelt sich um eine literarische Biographie des flämischen Jesuitenpaters Pierre-Jean bzw. Pieter-Jan De Smet. Geboren 1801 in Dendermonde, Belgien und gestorben 1873 in St. Louis, Missouri, ist er Zeuge eines bewegten Jahrhunderts der amerikanischen Geschichte und einer der vielen selbstlosen Menschen, die ihr Leben weit entfernt von der Heimat in den Dienst Christi stellten. Im Rückgriff auf seine Korrespondenz, Aufzeichnungen, Tagebucheinträge und auf eine französische Biographie zeichnet Weiser das Leben dieses bedeutenden Jesuiten nach, über den selbst Wikipedia zu berichten weiß, dass er als Freund des Indianerhäuptlings Sitting Bull galt und als Missionar und politischer Vermittler unter den indianischen Stämmen Nordamerikas hoch angesehen war. Seine unablässige Sorge um die Seelen der Ureinwohner Nordamerikas, die sich nicht zuletzt in geradezu übermenschlicher Reisetätigkeit in weithin unerschlossenem Gebiet äußert, mag stellvertretend stehen für die vielen unbeachteten und unbekannten Seelsorger, die sich um die indianische Bevölkerung verdient gemacht haben. Anders als die Geschichte der Reducciones der Jesuiten in Südamerika, die sogar filmisch verarbeitet worden ist, ist die katholische Geschichte Nordamerikas bis auf verbliebene Städtenamen, die auf Heilige und katholisches Leben verweisen, weithin unbekannt, was sicher mit daran liegt, dass ihre Bedeutung durch den großen Einfluss der puritanisch geprägten Siedler zurückgedrängt worden ist.

Weiser zitiert oftmals direkt aus den Aufzeichnungen De Smets, was, wenn man den erzählerischen Charakter des Buches bedenkt, einen relativ unmittelbaren Einblick in dessen Denken und Streben ermöglicht. Das Buch stellt sich in seiner Authentizität insbesondere einem Vorurteil entgegen, das die katholische Kirche und ihre Missionstätigkeit betrifft: Anders als gemeinhin dargestellt, ist katholische Mission grundsätzlich nicht kulturimperialistisch – wenn sie auch natürlich dennoch vor Instrumentalisierung nicht gefeit ist. Das liegt daran, dass Katholizismus in sich übernational ist. Er durchdringt lokale Traditionen tief, lässt aber unterschiedlichste Traditionen jeweils nebeneinander bestehen. Dem liegt u.a. zugrunde, dass gemäß der katholischen Lehre Wahrheit auch außerhalb der katholischen Kirche vorliegt und zur Einheit mit ihr hindrängt: Denn da dem Menschen unabhängig von seiner Religion von Gott ein Gesetz "ins Herz" geschrieben wurde, strebt der Mensch nach Gott und nach dem Guten, auch, wenn er Christus noch nicht kennenlernen konnte. Die daraus resultierenden guten Früchte werden vom Katholizismus also für die Wahrheit und für Gott in Anspruch genommen. Das heißt konkret, kulturelle Aspekte werden, wo nötig, von Irrtümern befreit und in das katholische Leben der Menschen integriert. Es ist nicht notwendig, eine Kultur zu zerstören und durch Katholizismus als Kultur zu ersetzen, da es sich eben beim katholischen Glauben nicht in erster Linie um eine Kultur, sondern um eine Beziehung zu Christus handelt, und diese kann sich durchaus sehr unterschiedlich äußern und gestalten lassen. Dies ist beim Protestantismus, insbesondere dem puritanischer oder reformierter Prägung, durchaus anders: Hier besteht die Tendenz, alles, was nicht christlich ist, als unchristlich zu verstehen. Somit ist die Versuchung größer, einen kulturellen Aspekt als integralen Bestandteil des Glaubens zu sehen, statt nur als eine Möglichkeit der Entfaltung der Christusbeziehung. Daraus ergibt sich eine starre, wenig flexible Auffassung bezüglich nichtchristlicher Kulturen, die eher zur Ablehnung lokaler Bräuche neigt. In den extremsten Ausformungen werden ja selbst europäische Traditionen wie die des Weihnachtsfestes als "heidnisch" diffamiert und abgelehnt, weil sich Bräuche und Ideen darin zeigen, die nicht in der Bibel vorkommen und / oder auf tatsächliche oder angenommene vorchristliche Bräuche zurückgehen. Als Gegenbeispiel für diesen Rigorismus betrachte man den mexikanischen "Día de muertos" (“Tag der Toten”) – eine einzigartige Mischung aus spanisch-katholischen Einflüssen und indigener Tradition, die in einem von Protestanten kolonisierten Land niemals geduldet worden wäre.

Paradoxerweise wird nun das, was man etwa anglikanischer oder puritanischer Mission im 19. Jahrhundert zum Teil tatsächlich vorwerfen könnte, ausgerechnet an jenen kritisiert, die ganz anders an Mission herangegangen sind: Das ist möglich, weil man auf der einen Seite „christliche“ Mission als Ganzes betrachtet, auf der anderen Seite aber ausgerechnet die katholische Kirche als besonders machtvoll und entscheidend wahrnimmt. Zur Klarstellung: Keinesfalls möchte ich hier pauschal evangelische Mission abqualifizieren. Auch in anderen Konfessionen lassen sich beispielhafter Opfermut und Seeleneifer unter den Missionaren beobachten. Es geht hier um eine grundsätzliche Anfälligkeit für gesellschaftliche und kulturelle Interessen da, wo kulturelle, gesellschaftliche und religiöse Identität zu stark zusammenfallen.

Pater De Smet jedenfalls ist hier ein Paradebeispiel für den jesuitischen Missionar. Er nimmt nicht nur ungeheure Entbehrungen auf sich, er studiert indianische Sprachen, zeichnet Karten von dem Gebiet, das er bereist, fügt sich in die Gemeinschaften ein, die er lehrt, lernt Traditionen kennen und beachtet sie, um auf Augenhöhe mit denen kommunizieren zu können, die er missioniert. Dass dies kein Einzelfall ist, beweist die große Achtung, die die Indianer, gleich ob Weißen gegenüber skeptisch oder aufgeschlossen, den als „Schwarzröcken“ bezeichneten Priestern entgegenbrachten. Das Buch schildert einige brenzlige Situationen, in denen feindlich gesinnte Indianer den Pater sofort ehrenvoll aufnehmen, als sie ihn als Priester erkennen. Er wird als Friedensstifter zwischen Weißen und Indianern, aber auch als Vermittler zwischen verfeindeten indianischen Stämmen anerkannt. Auch wird geschildert, dass die protestantischen Missionsversuche weit weniger gut angesehen waren. So beschreibt Weiser eine Reaktion der Indianer auf den Versuch eines protestantischen Predigers, Proselyten zu machen: Die Indianer lehnen mit dem Hinweis darauf ab, dass die "Schwarzröcke" das Leben und die Nöte der indianischen Bevölkerung teilten, wohingegen die Protestanten an ihrem Leben festhielten und nur mit Worten, nicht aber durch die Tat predigten.

Ausgehend von der ersten abenteuerlichen Reise De Smets in die Neue Welt, beschreibt Weiser kurz, aber mit großer Intensität den Beginn seines Noviziats bei den Jesuiten in White Marsh bei Baltimore im Jahre 1821 und den Weg De Smets bis zur Priesterweihe 1827, um sich dann der Missionstätigkeit des Paters zuzuwenden. Wer sich in Geographie nicht besonders gut auskennt und die im Buch geschilderten Orte einmal über Google Maps aufruft, dem wird bewusst, was für eine Leistung die Patres in ihren Bemühungen erbracht haben: Allein für das Jahr 1859 gibt Weiser die Wegstrecke, die Pater De Smet zurückgelegt hat, mit 24.000 km an, und mindestens 300.000 km (die Angaben variieren naturgemäß) ist der Missionar in seinem Leben gereist, eine schier unglaubliche Distanz. Obgleich natürlich einige konkrete Begebenheiten geschildert werden, die stellvertretend für die gefahrvollen Reisen stehen, handelt es sich dennoch nicht um einen Abenteuerroman, sondern um eine biographische Erzählung, deren Kern die Persönlichkeit des Paters ist, der unablässig, respektvoll und voller Liebe und Eifer die Offenbarung Christi verkündet und sich um das Wohlergehen der Indianer auch politisch verdient macht.

"Der Gesandte des großen Geistes" geht immer wieder darauf ein, wie offen die indianischen Stämme für die Wahrheit in Christus waren, und wie klar ihre Erkenntnis des Guten und Wahren war, so dass sie auf die Einrichtung von Missionen drängten. Wer etwa hätte gewusst, dass viele Indianerstämme wiederholt um die Entsendung von Missionaren gebeten hatten? Keinesfalls also brachten "ungebetene Gäste" ihre Kultur, die sie wehrlosen Menschen oktroyierten! Die eindringlichste und beinahe zu Tränen rührende Schilderung des Buches beschreibt, wie Indianer vom Stamm der Salish (Flatheads) zum ersten Mal 1815 Abordnungen ins viertausend Kilometer entfernte St. Louis schickten, um für sich Missionare zu erbitten, nachdem sich bei ihnen Irokesen angesiedelt hatten. Deren Vorfahren hatten bereits seit dem 17. Jahrhundert Kontakt zu Priestern gehabt und deren Vermächtnis offenbar so treu bewahrt, dass sie den Salish genug von Christus und seinen Gesandten erzählen konnten, um diese zu einem derart ungewissen Unternehmen zu ermutigen. Zweimal scheiterte der Versuch. Erst beim dritten Mal gelang es, und obgleich sich die Ordensoberen aufgrund des Priestermangels durchaus bitten ließen und keinesfalls "freigiebig" Priester entsandten, konnte Pater De Smet 1840 zu diesem Stamm ins heutige Montana aufbrechen. Die von ihm dort gegründete St. Mary's Mission kann heute besichtigt werden und bewahrt das Andenken an Pater De Smet und andere bedeutende Missionare.

Für den durchschnittlich antikatholisch und antimissionarisch sozialisierten Europäer ist das eine verblüffende Tatsache, die das eigene Weltbild auf heilsame Weise in Frage stellt. Auch für einen überzeugten Katholiken ist es eine wichtige Erkenntnis: Es ist eine Sache, zu wissen, dass sich theoretisch jede Menschenseele nach Christus sehnt und die Wahrheit sucht, eine andere, dies auch wirklich fest zu glauben. Umso wichtiger, in der realen Historie Beispiele für dieses Drängen zu finden: Die Sehnsucht nach Erlösung ist in allen Völkern zu finden, ist der gesamten Menschheit eigen. Und ebenso gehört eben das Evangelium allen Menschen gleichermaßen.

Weder die Aufzeichnungen des Paters noch ihre Verarbeitung im Buch verfallen angesichts der Schilderung der amerikanischen Ureinwohner in Romantizismen. Allerdings überwiegt die Darstellung der Indianer als von sich aus edel. Der aufmerksame Leser gerät hier wiederum ins Grübeln: Wenn man in der Öffentlichkeit die Missionstätigkeit derart negativ bewertet, wieso wird dann zugleich der Mythos vom "edlen Wilden" bemüht werden, der doch nur von Europäern selbst – nicht zuletzt von den Missionaren – überhaupt erst geprägt werden konnte! Offenbar waren die Patres, zumindest De Smet, tief beeindruckt von gewissen Werten der indianischen Kulturen, allen voran von der Ehrlichkeit, der Treue gegenüber gegebenen Versprechen und der Offenheit gegenüber dem katholischen Glauben. Die Bedrohung der Stämme durch Whiskeyhandel, durch betrügerische und hinterhältige Siedler und durch eine unehrliche, zumindest wankelmütige Regierung kommt ebenfalls zum Ausdruck: Pater De Smet hat während seiner Missionstätigkeit stets versucht, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn auch ahnend, dass ihr Vertrauen ausgenützt werden würde, und wissend, dass sein Bemühen um Seelen und Wohlergehen durch politische und militärische Machenschaften bedroht wurde. Kurz werden Vorgänge geschildert, die an einen perfiden Völkermord erinnern: Vorsätzliche Kontamination mit bei Indianern unbekannten Krankheiten und andere mörderische und niederträchtige Bestrebungen, um die indianische Bevölkerung zu dezimieren, werfen ein düsteres Licht auf die Siedler, die sich immer weiter in eigentlich und vertragsmäßig indianisches Territorium hineindrängen. Vorgänge, derer sich die Patres ebenso wenig erwehren konnten wie die Indianer selbst, während sie dennoch zu vermitteln suchten und nicht anders konnten, als, wenn auch widerstrebend, am Zustandekommen von Verträgen zu arbeiten, auf deren Einhaltung durch die Siedler sie nicht vertrauten.

Dies ist auch der durchaus tragische Tenor, den das Buch zuletzt anschlägt: Dass bei aller Mühe die Lebensart und das Lebensrecht der Indianer durch die Integrität der Missionare nicht geschützt werden konnte. Anders als der allgemeine Narrativ wird dies aber eben in seiner Komplexität den tatsächlichen Verantwortlichen angelastet, und nicht dem Kollektiv der "Weißen", der Siedler oder gar den Missionaren.

Franz Xaver Weisers Buch bietet eine Möglichkeit, historische Vor- und Fehlurteile zu berichtigen. Oft sind es Nebensätze oder Nebenfiguren, die zum Nachdenken anregen. So wird heute die Sesshaftmachung als ganz und gar negativer Eingriff in das Leben indigener Bevölkerungsgruppen betrachtet. Angesichts der bitteren Not, die Nomadenstämme ohne Wissen um Landwirtschaft häufig zu ertragen hatten, scheint diese Einstellung der sonst so fortschrittsgläubigen Europäer weniger respektvoll denn dekadent: Wer keine materielle Not kennt, schon gar nicht in der Prärie des 19. Jahrhunderts, hat gut reden und kann eine romantisierte Tradition leicht über das Wohlergehen der Menschen stellen. Die einfühlsame und auf die kulturellen Eigenheiten achtende Einführung bis dahin unbekannter Techniken und Lebensweisen erscheint dagegen als eine Maßnahme, die den Lebensstandard signifikant erhöht und dem Menschen dient. An anderer Stelle stolpert man über den Indianerhäuptling Billy Caldwell. Sauganash, so sein indianischer Name, war irischer und indianischer Abstammung: Dass es neben Konflikt und Auseinandersetzung von Beginn an auch ein Zueinanderfinden, eine Durchmischung, einen Kontakt auf Augenhöhe gab, passt nicht in das Schema vom guten Ureinwohner und vom bösen Siedler, und wird deshalb kaum beachtet und nicht in die allgemeine Rezeption aufgenommen. All dies sind kleine Puzzleteile, die sich in das sich neu fügende, komplexe Bild einordnen, dass sich dem Leser bei der Lektüre erschließt.

Obwohl an junge Adressaten gerichtet, ist Der Gesandte des großen Geistes auch für Erwachsene eine lohnende Lektüre und bietet einen guten Einstieg in eine weithin unbekannte Version der Historie Nordamerikas. Franz Xaver Weiser (*1901 in Wien, +1986 in Weston, Massachusetts), selbst Theologe und Priester, hat ein umfangreiches literarisches Werk hinterlassen. Es umfasst neben theologischen Schriften in englischer und deutscher Sprache viele Jugendbücher. Bereits in den 30er Jahren wurde er in die USA entsandt und studierte die Quellen, die Einblick in die Geschichte der jesuitischen Missionen in Nordamerika bieten. Es ist berührend, dass auch dieser Biograph De Smets selbst einer derjenigen ist, die um Christi willen weit entfernt von ihrer Heimat begraben liegen. Dies ist ein starkes, bewegendes Zeugnis. Weiser ist nicht einfach passionierter Erzähler eines Abenteuerromans, sondern ein Experte, der sein Wissen um die Indianermissionen und seine Quellenforschung konzentriert und jugendgerecht aufgearbeitet hat. Entsprechend gut recherchiert und seriös ist der Informationsgehalt, der sich bis zu den Archiven in St. Louis zurückführen lässt, die originale Aufzeichnungen des Paters bewahren. Das ist wichtig im Hinblick auf den "apologetischen" Wert des Buches – natürlich kann eine phantasievolle Geschichte über Indianer alles Mögliche behaupten, hier aber kann man Fakten herauslesen, die nachprüfbar sind und historischen Wert besitzen! Anhand der eingängig und spannend erzählten Lebensgeschichte des Paters De Smet hinterfragt der Leser den Narrativ, der die Kirche im Verein mit Machtmissbrauch, Unterdrückung und Vernichtung von fremden Kulturen sieht. Man wünscht sich nichts sehnlicher, als in den Archiven selbst nachzulesen, was der unermüdliche Streiter für die Ureinwohner Nordamerikas in eigenen Worten zu sagen hatte. Und man kann nur hoffen, dass De Smets Aufzeichnungen und die seiner Mitbrüder für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet würden: Dies würde dazu verpflichten, die Rezeption der Missionstätigkeit deutlich zu korrigieren.

Als Jugendbuch aus den Dreißigerjahren ist die Sprache, an heutiger Jugendliteratur gemessen, ungewöhnlich reich und damit besonders zu empfehlen in einer Zeit, in der der Sprachschatz nicht mehr annähernd ausgeschöpft und Jugendlichen kaum noch ein angemessenes Sprachniveau vermittelt wird; und an ganz wenigen Stellen (wenn etwa von "Negerfamilien" die Rede ist) ist die Sprache für heutige Leser etwas gewöhnungsbedürftig – was allerdings den Wert des Buches keineswegs mindert. Ohne übertrieben didaktisch zu wirken, sind die Passagen, die den inneren Antrieb und die persönliche Entwicklung des jungen Mannes schildern, der seine Familie voller Begeisterung verlässt, um in Nordamerika ins Priesterseminar einzutreten, ungemein beredt: Das Ringen um Berufung, die Balance zwischen Abenteuerlust und Verantwortungsgefühl, die Pflicht, den Charakter zu bilden, Gehorsam und Eigeninitiative, all die Pole, zwischen denen die katholische Seele schwankt, und zwischen denen sich ein Gleichgewicht herausbilden muss, werden anschaulich und glaubwürdig deutlich gemacht. Was an diesem Buch besonders positiv auffällt, ist, dass keine Scheu vor "großen Gefühlen" besteht, ohne deshalb kitschig zu werden. Es ist eine Krankheit der relativistischen Moderne, die Lebenswelt auf rein äußere Vollzüge zu beschränken und auch in der Emotionalität sehr oberflächlich zu bleiben. Tatsächlich aber werden wir Menschen, ob jung oder alt, von tiefen seelischen Vorgängen bestimmt, und gerade bei Jugendlichen ist das Bedürfnis nach Authentizität ausgeprägt und nicht versteckt hinter angeblicher Rationalität. Moderner Literatur fehlen oft die Worte, wirklich tiefgehende Gefühle, Ahnungen und Bestrebungen zu schildern, weshalb ein Rückgriff auf ältere Literatur jungen Menschen oftmals viel gerechter wird als "Popliteratur", die nur äußerliche Phänomene der Moderne aufgreift, gegenüber den eigentlichen Brennpunkten menschlichen Lebens aber distanziert und gleichgültig bleibt.

Zuletzt möchte ich den geistlichen Wert der Lektüre herausstellen, was sicher auch im Sinne des Autors ist: Gerade für den katholischen Leser ist dieses Buch nämlich mehr als lediglich ein Anstoß für neues katholisches Sendungsbewusstsein und Selbstbewusstsein angesichts der Historie: Zum einen ist da natürlich das vorbildhafte Leben des Paters: Er bleibt gehorsam, auch, wenn ihm seitens der Ordensleitung Unrecht geschieht, er nimmt Beschwernis, Krankheit und sogar zeitweiliges Verbot seiner Missionstätigkeit seitens seiner Oberen auf sich. Etwas anderes aber beeindruckt (und beschämt) mindestens ebenso tief: von dem glühenden Verlangen der Ungetauften nach Christus zu lesen. Wenn Menschen, die nie eine heilige Messe erlebt haben, die nie die Kommunion empfangen durften, ihr Leben aufs Spiel setzen, um einen "Schwarzrock" zu sich zu holen, der sie lehrt, wovon sie nur vage gehört haben, was aber ihr Herz entzündet hat, dann müssen wir uns fragen, wie es mit unserer Liebe, unserem Glaubenseifer aussieht, die wir doch im Vergleich zum Nordamerika des 19. Jahrhunderts paradiesische Zustände haben. Wie verantworten wir es, dass man hier zum Wortgottesdienst geht, wenn das Dorf, in dem die heilige Messe gefeiert wird, nur wenige Kilometer entfernt liegt? Wie können wir in der Ewigkeit da dem Indianer entgegentreten, der sein ganzes Leben vielleicht nur eine einzige heilige Messe mitfeiern durfte? Denn all diese Gläubigen, von denen wir nichts wissen, gehören ja zur Gemeinschaft der Heiligen, und wir müssen uns an ihrem Glauben und an ihrer Treue messen lassen. Pater De Smet schildert in seinen Aufzeichnungen wiederholt, wie er, wenn er nach Jahren in eine Mission zurückkehrte, Sterbenden die Beichte abnahm, und sie befragte, welche Sünden sie begangen hätten seit ihrer Taufe – die Antwort lautete seinem Bericht zufolge oftmals, welche Sünde denn, sie hätten doch bei der Taufe versprochen, nicht mehr zu sündigen, und wie könnten sie dieses Versprechen brechen? Das Erlebnis solcher Glaubenstreue muss einen europäischen Missionar tief bewegt haben, und es bewegt und beeindruckt uns auch heute. Wir, die wir jede Woche oder beinahe jede Woche eine Beichtgelegenheit haben – nutzen wir sie? Hüten wir unser Taufgewand? Oder sind wir gleichgültig, weil wir uns darauf verlassen, dass die Absolution es schon wieder reinwaschen wird? Nehmen wir die sakramentalen Gnaden nicht viel zu selbstverständlich hin? Ich denke, diese Fragen machen deutlich, wieso "Der Gesandte des großen Geistes" viel mehr ist als ein spannend und gut geschriebenes Abenteuerbuch für Jugendliche. Es ist nicht nur eine Kritik an der weit verbreiteten einseitigen Rezeption missionarischer Tätigkeit, es stellt dem Gläubigen einen Gewissensspiegel vor Augen, der ihn zu neuem apostolischen Eifer, aber auch zu neuem Elan in der eigenen, persönlichen Beziehung zu Christus anregt. Ich jedenfalls war nach der Lektüre zu jedem "Abenteuer" bereit, das Feuer der Liebe zu Christus in meinem Herzen hell brennen zu lassen, für mich und für andere – auch, wenn die eigene Seelensteppe keine nordamerikanische Prärie ist, ist sie doch oft ein weites Feld für Mission und Evangelisation!


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