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Die Unterscheidung der Geister

Von P. Bernward Deneke

Ursprünglich war die Schöpfung in vollkommener Klarheit und Harmonie. Sein und Schein der Dinge entsprachen einander. Seit dem Aufstand Lucifers und dem Fall der Stammeltern aber ist es anders geworden: Hinter einem schönen Schein verbirgt sich oft ein schlechtes Sein. Es gibt fast überall Verstellung und Lüge, Versuchung und Verführung.
Wir sind ständig Einflüssen ausgeliefert, die wir beurteilen müssen. Dafür ist die Haltung nötig, die der heilige Petrus von uns verlangt: „Seid nüchtern und wachsam, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlingen könne – widerstehet ihm standhaft im Glauben!“ (1 Petr 5,8)
In vielen Fällen bedarf es keiner genauen Prüfung, weil Gut und Böse offensichtlich sind. Ein Blick auf die Gebote Gottes, die Lehren des Herrn und Seiner Kirche geben uns unmittelbare Gewißheit.
In anderen Fällen aber stellt sich die Sache nicht so einfach dar. Es begegnen uns „Wölfe im Schafspelz“ (Mt 7,15), der Satan nimmt die Gestalt eines Lichtengels an (2 Kor 11,14). Oft sät unser Feind sein Unkraut mitten unter den guten Weizen (Mt 13,25). Das geschieht ebenso im äußeren Bereich (kirchliches und gesellschaftliches Leben) wie im Inneren unserer Seele.

Gott kann es nicht zulassen, daß Seine Kinder dem Verwirrspiel und den Angriffen des Bösen blind und hilflos ausgeliefert sind. Er hat uns daher mit dem Heiligen Geist und Seinen Gaben beschenkt („Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit, Gottesfurcht“, vgl. Jes 11,2-3) und uns einen „Instinkt“ für die Wahrheit und das Gute verliehen. Die Mutter vom Guten Rat steht uns bei. Auch sind Seine Engel ausgesandt, uns zu behüten auf allen unseren Wegen (Ps 90<91>,11f.).
Dennoch müssen wir uns nach Kräften um die „Unterscheidung der Geister“ bemühen: „Geliebte, glaubet nicht jedem Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind“ (1 Joh 4,1), und auch: „Prüfet alles, das Gute behaltet“ (1 Thess 5,21).
Für diese Prüfung gibt es verschiedene Maßstäbe zu beachten. Sie entstammen:
a)     dem gesunden Menschenverstand;
b)     der Heiligen Schrift und der kirchlichen Lehre;
c)     der geistlichen Erfahrung großer Heiliger und bewährter Christen;
d)     der Betrachtung der Früchte.

zu a) Weil die menschliche Vernunft eine Gabe Gottes ist und Er von uns niemals etwas Unvernünftiges verlangt (allenfalls etwas Übervernünftiges, das aber der Vernunft nicht wirklich widerspricht, sondern sie nur überragt), deshalb können Lehren, Anregungen und Eingebungen, die offensichtlich wider-, irr- und wahnsinnig sind, nicht „von oben“ stammen. Das gilt auch für Stimmungslagen eines (pseudo-)religiösen Enthusiasmus’, bei dem sich der Verstand verdunkelt und der Sinn für die Wirklichkeit verlorengeht.

zu b) Alles, was der katholischen Glaubens- und Sittenlehre direkt oder indirekt widerspricht, kann nicht vom guten Geist stammen. Die Heilige Schrift schärft diese Wahrheit vor allem mit Blick auf den Glauben an Jesus Christus ein: „Niemand, der im Geist Gottes redet, sagt: Verflucht sei Jesus Christus!“ (1 Kor 12,3), und: „Jeder Geist, der Jesus nicht bekennt (oder: „der Jesus auflöst“), ist nicht aus Gott.“ (1 Joh 4,2) Mit Christus ist Seine Kirche untrennbar verbunden - zum Kirchenverfolger Saul spricht der Herr: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“(Apg 9,4), und es gilt: „Wer euch hört, der hört mich.“ (Lk 10,16) Ein Widerspruch zur Lehre der Kirche ist demnach ein Widerspruch zu Jesus Christus selbst und kann auf keinen Fall vom Geist Gottes stammen. Besonders dort, wo die konkrete, sichtbare Gestalt der Kirche, die Bedeutung ihrer Ämter und Sakramente aufgelöst werden, ist der böse Geist am Werk, denn er liebt die falsche Vergeistigung, die Verflüchtigung, das Diffuse und Nebulöse.

zu c) Im Laufe der christlichen Jahrtausende ist ein großer Erfahrungsschatz zur Unterscheidung der Geister angewachsen. Es muß also nicht jeder am Nullpunkt beginnen! Beispiele:
-         Der heilige Wüstenvater Antonius unterscheidet die Geister vor allem anhand ihrer Wirkungen in der Seele. Der Geist Gottes bewirkt Ruhe, Sanftmut, Stärkung, Ermutigung, Freude, Fröhlichkeit, Erleuchtung und heilige Sehnsucht, der dämonische Geist jeweils das Gegenteil. (vgl. St. Athanasius, Leben des hl. Antonius, Kap.25 ff.)
-         Der heilige Ignatius von Loyola legt in seinem Exerzitienbuch ausführliche und genaue Regeln zur Unterscheidung der Geister dar. Er weist u.a. darauf hin, daß der Geist Gottes die Menschen guten Willens ermutigt, beruhigt und tröstet, hingegen diejenigen, die in Sünde leben, beunruhigt und ermahnt; der böse Geist aber verfährt umgekehrt: Beruhigung und (Ver-)Tröstung der Lauen und Sünder, Beunruhigung und Entmutigung der Eifrigen (Regeln Nr.1 u. 2). – Ignatius gibt wichtige Regeln wie diejenigen, daß geistig strebende Menschen in der Zeit der Verwirrung und Entmutigung nichts an ihren guten Vorsätzen und der eingeschlagenen Lebensrichtung ändern sollen (Nr.5); daß man sich bei religiösem Hochgefühl demütigen und bei Niedergeschlagenheit mit dem Gedanken an die Gnade aufrichten soll (Nr.11); daß man dem bösen Angreifer mutig die Stirn zu zeigen (Nr.12) und seine Einflüsterungen gerade dann, wenn er uns zur Geheimhaltung drängt, dem Beichtvater aufzudecken hat (Nr.13); daß der Feind meistens dort angreift, wo unsere schwächste Stelle ist (Nr.14).
-         Der Theologe Johannes B. Scaramelli zählt (in seiner „Anleitung zum mystischen Leben“) als Merkmale der Einwirkungen des bösen Geistes auf: Lüge; Eitel- und Oberflächlichkeiten; aufgeputschte Phantasien; Trotz und Widerspenstigkeit; Neigung zum Übermaß im Guten; Unruhe, Verwirrung und  Trübsinn; offenbarer Stolz oder falsche Demut; Verzweiflung und Mißtrauen oder falsche Selbstsicherheit; Willensverhärtung und Ungehorsam; schlechte Absicht bei den Handlungen; Ungeduld in Trübsalen; Aufruhr der Leidenschaften; Falschheit, Verstellung und Heuchelei; Anhänglichkeiten; Abwendung von der Nachfolge Christi oder falscher Eifer. 

zu d) Schlußendlich erweisen die Früchte den guten oder schlechten Baum (Mt 7,16 ff.). Paulus stellt die Früchte des Fleisches denen des Geistes gegenüber: „Offenkundig sind die Werke des Fleisches, nämlich Unzucht, Unlauterkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Zank, Eifersucht, Zorn, Hader, Zwistigkeiten, Parteiungen, Mord, Trunkenheit, Schlemmerei und dergleichen. Von diesen Dingen sage ich im voraus, was ich auch früher schon gesprochen habe: Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben. Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Güte, Milde, Langmut, Sanftmut, Treue, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit.“ (Gal 5,19-23)


Zum Thema:
Franz Prosinger: Das Unkraut im Acker


Gebt dem Teufel nicht Raum

Eine Predigt von mir.


Demütiger Stolz

Von P. Bernward Deneke FSSP

Als Christen müssen wir stolz sein!

Um nicht falsch verstanden zu werden: Demut ist eine grundlegende christliche Tugend, Stolz hingegen eine Wurzelsünde, sogar die Wurzel aller Wurzelsünden. Darum wird die Bibel nicht müde, die Geringen zu rühmen und die Großmächtigen zu warnen. Gott „zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinnen; Mächtige wirft Er vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,51f.), sagt jene Magd des Herrn, auf deren Niedrigkeit Er herabgesehen hat (Lk 1,48). Jesus fordert Seine Jünger auf: „Lernet von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen.“ (Mt 11,29) Und der Ranghöchste unter den Aposteln, selbst ein Gedemütigter, weiss genau, daß „Gott den Hochmütigen widersteht, den Demütigen aber Seine Gnade gibt“ (1 Petr 5,5).

Die Stellung der Demut soll also in keiner Weise in Frage gestellt werden. Ebensowenig rede ich dem sündhaften Stolz das Wort. Doch denken wir uns einmal folgende Situation: Ein Jugendlicher aus christlichem Haus vernimmt tagaus tagein die Mahnung seiner Eltern, er solle nur ja recht demütig und bescheiden sein. Von sich selbst gering zu denken, nicht besser sein zu wollen als die anderen, ihnen den Vortritt zu lassen, Autoritäten zu achten, ihnen mit gehorsamer Unterwürfigkeit zu begegnen und ihren Anordnungen zu folgen – alles das wird diesem jungen Menschen zur zweiten Natur. Immer fein zurücktreten und schweigen! Niemals aufbegehren oder ausscheren!

Solange das Milieu, das den Heranwachsenden umgibt, in Ordnung ist und die Vorgesetzten ihre Vollmacht verantwortungsvoll gebrauchen, mag eine solche Haltung tugendhaft sein. Wandelt sich aber die Lage und hat er es mit Personen zu tun, die sich von falschen Vorstellungen leiten lassen, mit einer Obrigkeit, die Zweifelhaftes fördert und fordert, dann bekommt die Sache ein anderes Gesicht. Zwar muß auch unter solchen Bedingungen die christliche Demut bestehenbleiben. Doch zeigt sich spätestens hier, daß sie einer Ergänzung bedarf. Einer Art Stolz.

An dieser Stelle ist eine Klärung am Platz. In frommen Ohren hat das Wort Stolz einen schlechten Klang, da es sogleich als sündhafte Selbstüberhebung verstanden wird. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um einen zunächst neutralen Begriff. Stolz sein bedeutet: den Nacken nicht beugen, Dienst und Unterwerfung verweigern. Es ist einleuchtend, daß Stolz gegenüber Gott und den Menschen, die einen berechtigten Anspruch an uns geltend machen, eine schwere Verfehlung darstellt. Wie jedoch verhält es sich, wenn uns ein Unrechtsregime, eine gottlose Institution oder einfach nur der moralisch verkommene Zeitgeist in die Knie zwingen will? Wenn gar der Teufel uns auffordert, ihm zu huldigen? Ist da nicht das herrisch-stolze Wort Christi am Platz: „Weiche Satan! Denn es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und Ihm allein dienen“ (Mt 4,10)?

„Agnosce, o Christiane, dignitatem tuam“, ruft der hl. Papst Leo der Grosse in einer berühmten Weihnachtspredigt aus: „Erkenne, o Christ, deine Würde.“ Gemeint ist die Würde, die unserer Erwählung und Wiedergeburt zu Gotteskindern entstammt. Der Adel von Gliedern am Mystischen Leib Jesu Christi, die teilhaben an Seinem Fleisch und Blut. Und die Zierde von Tempeln des Heiligen Geistes. Würde, Adel und Zierde dieser Art verstärken im gläubigen Herzen die Gesinnung tiefer Demut vor Gott, dem allein die gnadenhafte Erhebung zu verdanken ist. Zugleich erwecken sie aber auch das Bewußtsein der eigenen Kostbarkeit und damit verbunden das kämpferisch-kompromißlose Nein gegenüber jeder Macht, die uns solche Herrlichkeit rauben will. „Lieber sterben als sündigen“, hielt Maria Goretti ihrem Mörder entgegen. Ja, lieber sterben als die christliche Würde der Gottlosigkeit, Niedertracht und Unzucht preiszugeben, das ist die Haltung demütigen Stolzes.

Wer jungen Menschen in unserer Zeit nur von Demut und Unterordnung spricht; wer ihnen nicht sagt, daß Gott ihnen hohen Adel verliehen hat; wer ihnen nicht hilft, den aufrechten Gang auch unter erschwerten Bedingungen zu wahren, das Haupt angesichts der Verführer und Bedränger zu erheben: „Für das, was du mir da anbietest, bin ich mir einfach zu schade; es ist unter meiner Würde“ – wer also diese Seite des christlichen Lebens unterschlägt, der produziert exakt jenes Duckmäusertum, jene falsche Bescheidenheit und Angepaßtheit, durch die das Imperium des Fürsten dieser Welt besteht und sich beständig ausbreitet. Es gibt keine Alternative zum demütigen Stolz!


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