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Der Diener Gottes Pius XII. – Ein "Gerechter unter den Völkern"?

Zum 50. Todestag des „Pastor Angelicus“ (+1958)

Von Daniel Eichhorn

Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Tod des bislang letzten Piuspapstes Eugenio Pacelli vergangen. Das sind gut und gern zwei Generationen. Das ist viel und doch nicht viel. Durch diesen Jahrestag, dieses halbe Jahrhundert, reicht eine gänzlich andere Zeit in die unsrige hinein, und gerade deshalb ist dieses Gedächtnis von Bedeutung. Deutschland kann an diesem ihm so wohlgesonnenen Papst nicht achtlos vorbeigehen. Des Weiteren muß eine kirchenpolitische ,Hermeneutik der Kontinuität’ Pius XII. und damit die Epoche der ,Pius-Päpste’ berücksichtigen, die mit Pius XII. zu Ende ging und an deren Wendepunkt er stand. Gelten die Vertreter dieser Epoche im Allgemeinen als traditionell-konservative Päpste, so wurden damals dennoch entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt, die an Aktualität nichts verloren haben. Zweifellos hat die Welt in diesen 50 Jahren ihr Angesicht - ein weiteres Mal - radikal verändert. Auch die Kirche war starken Veränderungen unterworfen. Hat sich die Welt seither gewandelt, so war die Zeit des Pius-Pontifikates noch mehr als die heutige stürmisch.

Es war der reformfreudige Konzilspapst Paul VI. (1963-1978), der erklärte, er sei stark von Pius XII. geprägt. Als Substitut des Vatikanischen Staatssekretariats und sodann als Pro-Staatssekretär war sein Wirkungsfeld in unmittelbarer Nähe zu jenem Papst, dem gemäß der Malachiasweissagung der Beiname „Pastor Angelicus“, „engelgleicher Hirte“ zukommt. Paul VI. war es auch, der 1965 den Seligsprechungsprozeß Pius’ XII. und Johannes’ XXIII. einleitete. Im folgenden Text sollen einige Merkmale Pacellis und seines Pontifikats gewürdigt werden und so ein gedenkendes Innehalten angesichts eines der größten Päpste der Neuzeit ermöglichen.

Es begann mit einem Geburtstag

Das Wetterleuchten dieses Pontifikates beginnt früh, lange vor der Wahl: Die Biographen berichten, daß am Tage seiner Geburt (2. März 1876) ein alter Priester, dem greisen Simeon im Tempel (Lk 2,28) nicht unähnlich, dem Knaben Eugenio Pacelli nach dessen Taufe den Petrus-Thron vorausgesagt habe. Auch der heilige Pius X. (1903-1914) soll Pacelli sozusagen ,vorgewarnt’ haben. Pius XI. (1922-1939) schließlich baute Pacelli systematisch als seinen Nachfolger auf. Die jahrzehntelange Erfahrung des Diplomaten auf schwierigem Terrain in engster Zusammenarbeit mit mehreren Päpsten ließen ihn in höchstem Maße als geeignet (,papabile’) erscheinen. Es war eine aristokratische, klassisch gebildete, hochgeistige und asketische Gestalt, und doch zugleich ganz schlicht und einfach, die sich auf dem glatten, diplomatischen Parkett ebenso souverän und staatsmännisch bewegte, wie sie mit Arbeitern, Brautleuten und Kindern herzlich lachen konnte. Oder wie die Römer über ihren Sproß sagten: „Un vero romano di Roma“.

Der Beginn dieses Pontifikates fällt schließlich wieder mit dem Geburtstag Pacellis zusammen. Der Tag seiner Papstwahl, 2. März 1939, war jener Tag, da Eugenio Pacelli 63 Jahre alt wurde. Eine Tatsache oder ein ,Zufall’, der theologisch wohl nicht weiter ausgedeutet werden kann, aber vielleicht ein Hinweis auf eine spezielle göttliche Zuneigung oder Zeichen einer besonderen Fortune? Wie dem auch sei. Die prophetische Vorhersage erwies sich jedenfalls als richtig.

Pius XII. und die Gottesmutter

Mehr ins Gewicht fällt da schon eine weitere, wesentliche frappantere Koinzidenz: Pacellis Bischofsweihe und Fatima. Pacelli wurde von Papst Benedikt XV. im Jahre 1917 zum Apostolischen Nuntius im Königreich Bayern ernannt, und der Papst ließ sich es sich nicht nehmen, die Bischofsweihe des hochbegabten Vatikanisten selbst vorzunehmen. Später wurde bekannt, daß die Weihehandlung am 13. Mai 1917 zeitgleich mit einer der wichtigsten Marienerscheinungen der Kirchengeschichte stattfand. Es war im Übrigen Pius XII. selber, der den Erscheinungen von Fatima die kirchliche Anerkennung gewährte. Man wird die Bischofsweihe Pacellis so deuten dürfen, daß seine Sendung nach Bayern - und damit nach Deutschland - unter dem besonderen Patronat der Gottesmutter stand, und daß ihre Aussagen in Fatima nicht nur speziell Rußland und seine „Irrtümer“ betrafen, sondern auch für Deutschland von eigener Relevanz sind. Ein Blick auf die Geschichte Nazi-Deutschlands und den Krieg genügt, um diesen Eindruck zu bestätigen. Des weiteren dürfte der entschiedene Antikommunismus der römischen Kurie unter Pius’ XII. nicht zuletzt von Fatima her motiviert sein. Die feierliche Verkündigung des Assumpta-Dogmas im Heiligen Jahr 1950 stellte schließlich den theologischen und kirchlichen Höhepunkt eines marianisch geprägten Pontifikates dar.

Pius XII. und die Deutschen

Pacellis Dienstjahre in Deutschland (1917-1929) haben ihn geprägt. Sie stellten die Zeit seines intensivsten persönlichen Kontakts mit den Menschen dar. Deutsche Sprache und Kultur blieben ihm bis zum Lebensende teuer und spornten ihn zu totalem Einsatz an. Unerschrocken gegenüber den Wirren des Ersten Weltkriegs besuchte er immer wieder die Lager der Gefangenen. Reichskanzler von Bethmann Hollweg prognostizierte er 1917 den Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs und daß Deutschland einen Diktatfrieden erwarte, wenn die Friedensinitiative Papst Benedikts XV. nicht berücksichtigt werde. Mit beidem sollte er recht behalten. Die Münchener Nuntiatur in der Brienner Straße überstand die Stürmung durch die sozialistischen Rotten der Spartakisten in der Revolution vom November 1918 dadurch unbeschadet, daß der Nuntius nicht die vom Ex-Kanzler Graf Hertling angeratene Flucht ergriff, sondern sein eigenes Leben in die Waagschale werfend mutig ausharrte und durch seine innere Ruhe die Angreifer verunsicherte. Im März 1919 erleichterte Pacelli jenen Aggressoren, die in Todesangst vor der gerechten Strafe erneut an ihn herantraten, um seinen Schutz erhalten, die Flucht ins Ausland. Seit 1920 wirkte Pacelli in Berlin im Rahmen der neu entstehenden Weimarer Republik als der erste Päpstliche Nuntius für Deutschland und handelte die Konkordate mit Bayern (1924) und Preußen (1929) aus. Auch Reichspräsident Hindenburg zeigte sich von der Person Pacellis beeindruckt.

Das Reichskonkordat vom Juli 1933 begleitete er als Kardinal-Prostaatssekretär (seit 1929) bzw. Kardinal-Staatssekretär von Rom aus federführend. Die Bedeutung des Konkordats ist weiterhin heftig umstritten, zweifellos ist indes, daß es der Kirche angesichts der neuheidnischen Anfeindungen seitens der Nationalsozialisten zumindest auf dem Papier eine Rechtsgrundlage sicherte. Aus den 1920er Jahren liegen viele Akten Pacellis in den römischen Archiven, die vor Adolf Hitler warnen. Bereits 1929 hatte Pacelli im Blick auf Hitler, den immerhin noch vier Jahre von seiner ,Machtübernahme’ trennten und der vielen Deutschen als letzte Hoffnung galt, weitsichtig geäußert: “Ich müßte mich sehr, sehr täuschen, wenn dies hier ein gutes Ende nehmen sollte. Dieser Mensch ist völlig von sich selbst besessen, alles, was ihm nicht dient, verwirft er, was er sagt und schreibt, trägt den Stempel seiner Selbstsucht, dieser Mensch geht über Leichen und tritt nieder, was ihm im Weg ist – ich kann nur nicht begreifen, daß selbst so viele von den Besten in Deutschland dies nicht sehen, oder wenigstens aus dem, was er schreibt und sagt, eine Lehre ziehen – wer von all diesen hat überhaupt das haarsträubende Buch ‘Mein Kampf’ gelesen?” (Aus einer 1929 an die deutschen Bischöfe gerichteten Ansprache anläßlich seiner Verabschiedung als apostolischer Nuntius in Deutschland.)

Auf den päpstlichen Protest gegen die rassistisch motivierten Verfolgungen in der Weihnachtsansprache 1941 und in anderen öffentlichen Reden reagierte die deutsche Seite mit Plänen, Pius XII. gefangenzunehmen und nach Deutschland zu deportieren. Die New York Times hingegen kommentierte die Ansprache mit den Worten: “Die Stimme von Pius XII. ist eine einsame Stimme im Schweigen und in der Dunkelheit, welche Europa an dieser Weihnacht umfangen. Er ist so ziemlich der einzige Regierende auf dem europäischen Kontinent, der es überhaupt wagt, seine Stimme zu erheben. […] Indem er eine ‘wirklich neue Ordnung’ forderte, stellte sich der Papst dem Hitlerismus in die Quere. Er ließ keinen Zweifel daran, daß die Ziele der Nazis mit seiner Auffassung vom Frieden Christi unvereinbar sind” (New York Times, 25.12.1941, Spätausgabe, 24).

Pius XII. und die Juden

Der Einsatz des Papstes für die von den Nazis verfolgten Juden wird von interessierter Seite weiterhin notorisch geleugnet. Der Rabbiner David G. Dalin ortet hier “eine der historisch bedeutendsten Schlachten in den Kulturkriegen”. Nicht der wuchtige Vorgänger, der Alpinist Pius XI. (Achille Ratti), mußte als Papst diese Prüfung und den Zweiten Weltkrieg bestehen, sondern die zarte Gestalt Pius’ XII. In Rom lebende Juden wurden geheim in 150 Klöstern, Kirchen und Häusern, im Vatikan und in Castel Gandolfo aufgenommen, mit Gütern jeder Art unterstützt und mit Hilfe getürkter Ausweise gerettet. Dieser heroische Einsatz des Papstes aus christlicher Nächstenliebe blieb der einzige Ausweg angesichts der Faktenlage, die ihn nach eigenem Zeugnis an den Rand eines schweren Gewissenskonfliktes geführt hat: Bekanntlich wurden kirchliche Proteste gegenüber der Judenpolitik Nazi-Deutschlands in einem barbarischen Racheakt mit erneuter Verfolgung, diesmal vor allem an niederländischen Juden, quittiert. Nach den Untersuchungen Pinchas Lapides hat der Heilige Stuhl etwa 800000 Juden gerettet – mehr als jeder andere Mensch. Rabbi David G. Dalin, Autor der Studie “The Myth of Hitlers’ Pope” (2005) fordert daher für Pius den jüdischen Ehrentitel “Gerechter unter den Völkern”.

Die Häme gegen den Pastor Angelicus in Rudolf Hochhuths Theaterstück “Der Stellvertreter” zählt nach den Zeugnissen des Juden Pinchas Lapide, des römischen Oberrabbiners Eugenio Zolli und den Untersuchungen von Pater Blet SJ zu den großen Geschichtsklitterungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Hochhuths Machwerk mußte in den Ostblockländern jährlich gespielt werden. Kein Wunder, ließ sich Hochhut doch vom KGB mit gezielten Falschinformationen versorgen. Der Bericht des ehemaligen Securitate-Generals Ion Mihai Pacepa über eine unter Nikita Chruschtschow lancierte Schmutzkampagne gegen den verstorbenen Papst ist insofern glaubwürdig, als Pacepa selbst maßgeblich in die Sache mit dem Codenamen “Seat-12" verwickelt gewesen war, wie der Pius-Experte Pater Peter Gumpel SJ bestätigt. Hochhuth, ein ergebener Kommunist mit besten Beziehungen nach Moskau, hat eingeräumt, über Pius XII. nie exakt recherchiert zu haben. Auch die Recherchen des neueren Pius-Kritikers Daniel Jonah Goldhagen sind nachweislich mangelhaft.

Pius XII. und die Weltkirche

Pius XII. hat die vatikanische Amtsführung so auf seine Person zugeschnitten, daß er für die Zeitgenossen zum Inbegriff des Papsttums überhaupt wurde. Der Vatikan als Zentrale der Kirche war selbst noch einmal deutlich zentralistisch geordnet. Bereits zu Lebzeiten des Papstes wurde eine weitere Zunahme der päpstlichen Zentralgewalt in Fragen der Theologie, Liturgie, Disziplin und Kirchenleitung kritisiert. Diese römische Vorgehens- und Regierungsweise wurde besonders von einigen mitteleuropäischen Bischöfen und Theologen als menschlich störend und theologisch fragwürdig empfunden. Diese Beurteilung ist jedoch auch auf dem Hintergrund des ,deutschen Hochmuts’ zu sehen. Die speziell von Augustinus entwickelte und gerade zwischen 1940 und 1960 wieder verstärkt rezipierte eucharistische Ekklesiologie lieferte demgegenüber das theologische Fundament für eine sakramental begründete Kollegialität der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem römischen Papst. In der Theorie wurden diese Ansätze auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgenommen, in der Praxis mag es noch Potential zur Verbesserung des rechten Zusammenspiels geben, nämlich eben gerade auch von Seiten des Episkopats. Man denke z.B. an folgende Aussagen Joseph Cardinal Ratzingers, wie sie ,Die Tagespost’ vom 13.10.2001 paraphrasiert wiedergibt: „Wenn die Bischöfe den Mut hätten, in Fragen der Auslegung des EV [Evangeliums, Verfasser] und der Unterscheidung der Geister auch Entscheidungen zu fällen, dann wäre auch automatisch die gewünschte Dezentralisierung in der Kirche da. Heiße Kartoffeln – man denke nur an die kirchliche Mitwirkung bei der staatlichen Abtreibungsregelung – werden nach Rom weitergereicht – und dann heiße es am Ende (wenn der Vatikan formuliere, was die Bischöfe auch hätten sagen können), man leide unter einem römischen Zentralismus.“

Nicht nur die in sich mehr subjektive Marienfrömmigkeit, sondern auch die eher objektiv-nüchterne liturgische Frömmigkeit wurde von Pius gefördert, besonders durch das Assumpta-Dogma von der Leiblichen Aufnahme Mariens in die himmlische Glorie (1950) bzw. die Liturgieenzyklika Mediator Dei (1947). Zweifellos stark von der römischen Schultheologie geprägt und kritisch gegenüber den Ansätzen der sogenannten ,Nouvelle théologie’, war er indes keineswegs seriöser theologischer Vertiefung und echtem Fortschritt abhold. Begeistert von Forschung und Lehre, öffnete er durch die Enzyklika Divino afflante Spiritu (1943) die Kirche gegenüber der historisch-kritischen Bibelforschung – freilich im Rahmen des kirchlichen Glaubens –, wobei die Enzyklika einen theologischen Paradigmenwechsel und eine Vorbereitung der Konzilskonstitution ,Dei Verbum’ markiert.

Offenbar ahnte Pius XII., daß der Kirche große Veränderungen bevorstünden. So soll er gemutmaßt haben, daß er der letzte Papst alten Stils sei. Seine eigenen Pläne für ein Ökumenisches Konzil ließ Pius XII. eingefrieren – wohl nicht zuletzt aus Angst vor dem Eindringen von Neuerungen. Als schließlich das Zweite Vatikanum vom Nachfolgerpapst Johannes XXIII. doch einberufen wurde, war der Geist Pius’ XII. durchaus noch sehr präsent, vor allem in den ersten Jahren, denn der Großteil der Bischöfe und Kardinäle war von ihm ernannt worden. In den Aufzeichnungen der Diskussionen der Konzilsväter wird der Name Pius XII. in nicht weniger als 1500 Wortmeldungen zitiert. In den Anmerkungen zu den Konzilsdokumenten sind über 200 Verweise auf das Lehramt dieses Papstes zu finden. Damit war Pius XII. neben der Heiligen Schrift der vom Konzil am meisten zitierte Autor. Diese Tatsachen begründen, daß das Konzil nicht zuletzt auf dem Hintergrund des Lehrapostolates jenes Papstes gesehen und beurteilt werden muß: Es geht um jene Konzilshermeneutik der Einheit, nicht des Bruches, die in jüngster Zeit Papst Benedikt XVI. immer wieder angemahnt hat. Damit dürfen jedoch auch die deutlichen kirchlichen Veränderungen durch das Konzil nicht geleugnet werden. Erinnert sei an die Wandlung der Kirche von Pius’ entschiedenem Antikommunismus zu einem Appeasement dem Ostblock gegenüber gemäß Geist und Handlungsweise Johannes’ XXIII. und des Konzils.

Baldige Seligsprechung?

Als Pius XII. am 9. Oktober 1958 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war er hoch angesehen - von Kirche, Judentum und Welt. Ergreifend wirken die Worte aus dem Testament des Papstes: „Sei mir gnädig, o Herr, nach deiner großen Barmherzigkeit. Die Vergegenwärtigung der Mängel und Fehler, die während eines so langen Pontifikates und in solch schwerer Zeit begangen wurden, hat mir meine Unzulänglichkeit klar vor Augen geführt.“ Die katholische Weltkirche und Deutschland im Allgemeinen sowie die Kirche in Deutschland im Besonderen haben die Pflicht, die Bedeutung dieses Pontifex’ zu würdigen – mehr als dies bislang der Fall war. Die Kirche von Rom ist auf dem Wege dazu: Am 8. Mai 2007 hat die zuständige Römische Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungsprozesse den heroischen Tugendgrad Pius’ XII. einstimmig beglaubigt. Sollte es in naher Zukunft zur Seligsprechung kommen, so würde sie wahrscheinlich von Papst Benedikt XVI. persönlich vorgenommen, denn sie beträfe einen Kandidaten der römischen Kirchenprovinz, also eben jenes Sprengels, dessen Bischof der Papst in erster Linie ist. Zugleich wäre die Seligsprechung eines Vorgängers zweifellos ein Höhepunkt seines eigenen Pontifikates. Deutschland, das derzeit einen seiner größten Söhne auf dem Petrusthron sehen darf, sollte zu Gott für die Seligsprechung jenes Dieners Gottes beten, der für die Kirche in diesem Land so viel getan hat. Die Pflicht Deutschlands zur Aufarbeitung seiner jüngeren Geschichte schließt die Begutachtung jenes klaren Warners mit ein: des deutschen Nuntius’ und späteren Papstes Pacelli, den kein Geringerer als ein anerkannter jüdischer Historiker und Rabbi mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ gewürdigt sehen möchte.


Pius XII. und die Juden

Pius XI.


Der Einsatz Papst Pius’ XII. für die verfolgten Juden

Angesichts der Schrecken des Krieges und dessen, was später als Shoah bezeichnet wurde, nahm Papst Pius XII. keine neutrale oder gleichgültige Haltung ein. Das, was damals wie auch heute noch als Schweigen abgestempelt wird, war vielmehr eine bewußte und schwere Entscheidung, die auf einem glasklaren moralischen und religiösen Urteil gründete. Es gab und gibt sehr viele Stimmen, die das erkannt haben, auch außerhalb der katholischen Welt. Beispielsweise schrieb Albert Einstein bereits 1940 in der Zeitschrift »Time«: »Nur die Kirche hat es gewagt, sich Hitlers Unterdrückungskampagne gegen die Wahrheit zu widersetzen. Früher hat mich die Kirche nie besonders interessiert, jetzt aber empfinde ich ihr gegenüber große Zuneigung und Bewunderung, denn nur die Kirche hatte konstant den Mut und die Kraft, sich auf die Seite der intellektuellen Wahrheit und der moralischen Freiheit zu stellen«. Der Dominikaner und spätere Kardinal Yves Congar gibt seinerseits in seinem Konzilstagebuch die Aussagen eines Zeitzeugen, seines Mitbruders Rosaire Gagnebet, wieder. Nach dem Massaker der »Fosse Ardeatine« fragte sich der Papst »mit großer Besorgnis«, ob er seine Stimme dagegen erheben sollte: »Aber alle Klöster, alle Ordenshäuser in Rom waren voll von Menschen, die dort Zuflucht suchten: Kommunisten, Juden, Demokraten und Antifaschisten, ehemalige Generäle usw. Pius XII. hatte die Klausur aufgehoben. Wenn Pius XII. öffentlich und feierlich protestiert hätte, hätte es eine Durchsuchung dieser Häuser gegeben, und das wäre katastrophal gewesen. « So wählte der Papst den diplomatischen Protest. Als ihm die Deportation angedroht wurde, teilte er dem Erzbischof von Palermo, Kardinal Luigi Lavitrano, mit, daß er »die Machtbefugnisse an seiner Stelle« erhalten würde, und zum deutschen Botschafter sagte er, ohne zu zögern: Verhaften wird man »Bischof Pacelli, aber nicht den Papst«!

Die Hilfeleistungen, die Pius XII. für die Verfolgten in die Wege leitete – unter anderem für sehr viele Juden in Rom, in Italien und in verschiedenen anderen Ländern –, waren enorm und werden immer häufiger dokumentiert, auch von seiten namhafter Historiker und Intellektueller, die sich gewiß nicht verpflichtet fühlen, das Papsttum zu verteidigen, wie Ernesto Galli della Loggia, Arrigo Levi und Piero Melograni. Aus dieser nie vergehenden Vergangenheit kommen langsam immer mehr Fakten und Dokumente ans Tageslicht. Diese Dokumentation läßt dem Wirken Papst Pius’ XII. und seiner Kirche angesichts der kriminellen Verfolgung der Juden Gerechtigkeit widerfahren. Sie macht es dringend erforderlich, zahllose Geschichtsbücher neu zu schreiben und die diffamatorische Legende eines nazifreundlichen Papstes für immer aus dem Gedächtnis zu tilgen. Diese Legende entstand in den Jahren des Krieges und fand ihren Höhepunkt 1963 in der Aufführung des Dramas »Der Stellvertreter« von Rolf Hochhuth. 2002 wurde sie durch den Film »Amen« von Constantin Costa-Gavras noch einmal in Umlauf gebracht. Daß es sich dabei um einen organisierten Feldzug handelte, hatte Giovanni Spadolini in Italien bereits 1965 angeprangert. Der Historiker sprach damals von »systematischen Angriffen der kommunistischen Welt, die auch in katholischen Herzen auf ein gewisses Einverständnis oder Entgegenkommen stoßen – zumindest bei einigen Katholiken, die auch Italien nicht ganz unbekannt sind«. Das bestätigte 40 Jahre später ein ganzes Dossier, aus dem hervorgeht, daß die Führungspersönlichkeiten des Dritten Reiches Papst Pius XII. als Feind betrachteten. Es handelt sich dabei um bisher unveröffentlichte nationalsozialistische Dokumente, die in die Hände der Leiter des Geheimdienstes im kommunistischen Teil Deutschlands gelangt und dort in der Versenkung verschwunden waren bis Nachforschungen der Tageszeitung »La Repubblica« sie wieder ans Tageslicht brachten. Und diese Zeitung kann man wahrhaftig nicht als Pacelli-freundlich bezeichnen.

Aus dem Eröffnungsvortrag von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone auf dem Kongress zum 50. Todestag des Dieners Gottes Pius’ XII. an der Päpstlichen Universität Gregoriana vom 6. November 2008.


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