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Die Modernisten und der Normalzustand

Von P. Engelbert Recktenwald

Seit über vier Jahrzehnten fahren die Modernisten die Kirche an die Wand, indem sie ein Dogma nach dem anderen, von der Auferstehung Christi bis zur Existenz Gottes (vgl. Hasenhüttl), über Bord werfen. Theologiestudenten verlieren den Glauben, junge Leute wenden sich gelangweilt von der Kirche ab. Dem stehen das Charisma und die Evangelisationsbemühungen der Päpste Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. gegenüber. Mit Ereignissen wie den Weltjugendtagen begeistern sie die Jugend, wecken deren Idealismus und lassen sie sogar die Schönheit und Bedeutung des Bußsakraments entdecken. Doch in der durchschnittlichen deutschen Pfarrei, wo die Beichte das “verlorene Sakrament” geworden ist, versanden diese Erneuerungsimpulse. Die Bemühungen des Papstes werden boykottiert, weil Glaubenserneuerung nicht zu Kirchenkritik, Beichte nicht zum mündigen Christen und Papstbegeisterung nicht zum Modernismus passt.

Wenn nun Michael Broch, Geistlicher Direktor des kirchlichen Instituts zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (ifp), sich von der kirchlichen Morallehre verabschiedet und dem Papst vorwirft, er fahre die Kirche an die Wand, dann ist das kein unbedachter Ausrutscher, der durch eine Entschuldigung wieder wettgemacht werden könnte. Es ist Ausdruck jener Haltung, an der bis heute jede Glaubenserneuerung scheitert. Es stehen sich zwei grundverschiedene Richtungen gegenüber: Die modernistische, die von einem weiteren Ausverkauf der kirchlichen Moral- und Glaubenslehre das Heil erwartet, und die katholische, die auf eine Neuentdeckung und Vertiefung des Glaubens setzt. Die erste fordert Strukturreformen wie Abschaffung des Zölibats, Zulassung der Frau zum Priestertum und Anerkennung der Homosexualität, die zweite verfolgt - gut biblisch - das Ziel einer Umkehr und Erneuerung der Herzen.

Die erste Richtung hat kirchliche Institutionen wie theologische Fakultäten, katholische Akademien, Verlage und Agenturen fest im Griff (von Ausnahmen abgesehen). Ihnen ist der Kurs des Papstes ein Dorn im Auge. Der wiederum trägt in Verein mit den Bischöfen die Verantwortung für die Kirche. Wenn nun deutsche Bischöfe beginnen, dieser Verantwortung gerecht zu werden, indem sie für eine Besetzung kirchlicher Institutionen mit glaubenstreuen Personen sorgen, geht wie im Falle Broch ein Aufschrei der Entrüstung durch die Medien und wird das Gespenst der Einschränkung des freien Wortes in der Kirche an die Wand gemalt. In Wirklichkeit wird nur die Monopolstellung der Modernisten angekratzt und für einen größeren Freiraum des Glaubens gesorgt.

Letztes Jahr forderten die Bischöfe, dass für jene, die das Zweite Vatikanum nicht zur Gänze annehmen, kein Platz in der Kirche sein dürfe. Wenn wir das “Zweite Vatikanum” durch “die katholische Glaubens- und Morallehre” ersetzen, haben wir die Beschreibung dessen, was der Normalzustand in der Kirche sein sollte. Von diesem Zustand sind wir noch weit entfernt. Aber mit Schritten wie denen, weshalb sich Medien und Modernisten nun so aufregen, kommen wir ihm jedes Mal ein kleines Stückchen näher.


Ein guter Tag

“Pfarrer Michael Broch hat sich verhalten wie ein neuer Abteilungsleiter in einem Ministerium, der öffentlich das 'System Politik' geißelt, das Ministerium für rückständig erklärt und den Minister der Inkompetenz zeiht. Zudem hat Broch entweder gelogen oder eine erschütternde Unprofessionalität an den Tag gelegt. Seine Behauptung nämlich, die skandalisierten Passagen nicht gegengelesen zu haben, wurde von der interviewenden Zeitung sehr bestimmt zurückgewiesen.
Insofern müsste der Tag des Rücktritts als ein guter Tag in die Annalen des Münchner 'Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses' (IFP) eingehen. Ein offenbar vielseitig überforderter Mann resignierte, damit die Journalistenschule das Vertrauen der sie tragenden Bischöfe zurückgewinnen und die Zweifel an der eigenen Professionalität zerstreuen kann. Was aber geschieht? Die Meinungsfreiheit sei in Gefahr, schreien katholische und nicht katholische Journalisten auf ...”

Aus: Alexander Kissler, Bunker und Kirche; im European vom 24. August 2010.


Ein Beispiel für die Diktatur des Relativismus

Bernhard Müller macht in der neuesten Ausgabe des PUR-Magazins (September 2010) darauf aufmerksam, dass Michael Broch weiterhin Hörfunkpfarrer für die Diözese Rottenburg-Stuttgart bleibt, was er seit 1977 ist. “Doch auch als solcher ist er nicht unumstritten”, meint Müller. “Hatte er doch beim ‘Wort zum Sonntag’ zum Ökumenischen Kirchentag in München verkündet, dass die Kirche offen, gerade auch auf die Menschen zugehe, die anders leben, als es offiziell-kirchlichen Vorstellungen entspricht. Er denke dabei etwa ‘an homosexuelle Partnerschaften’. Und dann verkündete er das, was offenbar auch das Problem vieler katholischer Journalisten zu werden droht: Niemand besitze die Wahrheit, keine Religion und keine Kirche.”
Ist das nicht ein Beispiel für die vom Papst beklagte Diktatur des Relativismus, die auch viele Stellen in der Kirche seit Jahrzehnten fest in der Hand hat?


Suizidale Tendenzen

Das mit Kirchensteuergeldern subventionierte bischöfliche Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp), das durch die Affäre um Michael Broch zu trauriger Berühmtheit gelangt ist, wird von Andreas Püttmann in seinem Buch Gesellschaft ohne Gott. Risiken und Nebenwirkungen der Entchristlichung Deutschlands (Gerth Medien, Asslar 2010) erwähnt, und zwar bezeichnenderweise im Abschnitt Suizidale Tendenzen: Ein kirchliches System bezahlter Selbstzerstörung. Der im ifp ausgebildete Journalist Heribert Prantl habe das Kruzifix-Urteil als “Fortsetzung der bisherigen liberalen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Glaubensfreiheit” gepriesen, die Kritik mit der Bemerkung veralbert, die Richter seien doch “keine Priesterfresser” und mit dem Gedanken geschlossen, die Christlichkeit einer Gesellschaft zeige “sich nicht am Nagel an der Wand” (S. 113).


Widersinniger Unglaube

Neuerdings ist es modisch geworden, den Unglauben an die leibhafte Auferstehung Jesu als noch größeren Glauben auszugeben. „Selbst wenn man sein Skelett ausgraben würde, würde ich glauben, dass Gott Ihn auferweckt hat.“ Und weil das so ausgesucht gläubig klingt, fällt der Widersinn gar nicht auf. Ein Widersinn zur inneren Logik der Evangelien nämlich. Der Gott, der menschliches Fleisch annahm, hat auch das Fleisch miterlöst. Die Auferstehung Jesu im Leibe ist die Vollendung seiner Menschwerdung.

Aus: Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Ostern: Das Fest der Freude am Leib, Tagespost vom 6. April 2023


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